NACHBergbauzeit in NRW – Tagung an der THGA

NACHBergbauzeit in NRW – Tagung an der THGA

Rund 60.000 verlassene Tagesöffnungen hat der jahrhundertelange Bergbau vermutlich in NRWs Untergrund hinterlassen. Besonders unter dem Ruhrgebiet schlummern noch viele Hohlräume und warten darauf, aufgespürt und sachgemäß gesichert zu werden. Doch die Nachbergbauzeit bietet auch weitreichende Chancen. Bereits zum vierten Mal veranstalteten die Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde NRW und die Technische Fachhochschule Georg Agricola (THGA) deshalb am 23. März 2017 die Tagung „NACHBergbauzeit in NRW“. Bei den 300 Experten aus ganz Deutschland und Europa, die in Bochum zusammengekommen sind, stand dieses Mal das Thema Risikomanagement im Mittelpunkt. Regierungspräsidentin Diana Ewert und Hochschulpräsident Prof. Dr. Jürgen Kretschmann eröffneten die Veranstaltung.

Auch wenn der Steinkohlenbergbau erst 2018 in Deutschland endet, wird schon jetzt viel getan: „Hohlräume unter dem Essener Hauptbahnhof und große Tagesbruchereignisse wie das Höntroper Loch oder zuletzt in Essen-Heisingen haben das Thema Nachbergbau stärker in den Blick der Gesellschaft gerückt“, sagte Regierungspräsidentin Diana Ewert in ihrem Grußwort. „Sie zeigen, welche Gefahren von unzureichend gesicherten und undokumentierten Hinterlassenschaften des Bergbaus ausgehen können. Hier konnten wir bisher oftmals nur reagieren, heute steht dagegen das präventive Handeln im Vordergrund.“

Deshalb bereiten sich Unternehmen, Behörden und die Wissenschaft bereits intensiv darauf vor, wie sich mögliche Risiken des Bergbaus frühzeitig erkennen und beherrschen lassen. „Der Nachbergbau erfordert ein umfassendes Risikomanagement und moderne Kontrollmethoden“, sagt Hochschulpräsident Prof. Dr. Jürgen Kretschmann. „Ein zukunftsorientiertes Handeln aller beteiligten Akteure, von denen viele heute hier sind, ist erforderlich, damit die Nachbergbauzeit eine gute Zeit wird. Denn sie hält riesige Chancen für die Region bereit, etwa für die Stadtentwicklung, den Arbeitsmarkt oder die Naherholung.“

Die Tagung unter dem Titel „Risiken erkennen und beherrschen – Definitionen, Umsetzungen, Erfahrungen“ griff die nachbergbaulichen Herausforderungen aus verschiedenen Blickwinkeln auf – aus Sicht der verantwortlichen Bergbehörde, aus Unternehmensperspektive oder im Blick der wissenschaftlichen Forschung. Auch Erfahrungen aus dem thüringischen Kali-Südharz-Revier oder vom Grubenwasseranstieg in der Grube Königstein bei Dresden, wo die Wismut GmbH uranhaltige Steinkohle abgebaut hat, wurden ausgetauscht.

Welche täglichen Herausforderungen die tagesbruchverursachenden Spuren des Bergbaus für die Bergbehörde NRW bedeuten, verdeutlichte Andreas Welz von der Bezirksregierung Arnsberg: Das Risikomanagement Altbergbau der Bergbehörde NRW umfasst gegenwärtig 2500 verlassene Schächte, 940 davon liegen in Bereichen, in denen kein Risiko eingegangen werden kann. Hinzukommen unentdeckte Hohlräume, die sich nahe der Oberfläche befinden. Gemeinsam mit dem Geologischen Dienst NRW entsteht daher eine Datenbank mit aktuellen Informationen über die räumliche Ausbreitung tagesnaher Lagerstätten.

Weitere Vorträge beleuchteten die Begriffe „Gefahr“ und „Risiko“ aus rechtlicher Sicht oder zeigten, wie die verschiedenen Unternehmen mit dem Thema Nachbergbau umgehen: So muss neben der RAG Aktiengesellschaft auch die Thyssen Krupp AG oder die Netz AG der Deutschen Bahn Maßnahmen umsetzen, mit denen sich Schäden möglichst proaktiv verhindern lassen. Dass diese Risikominimierung auch an ihre Grenzen stößt, verdeutlichte Tobias Friedrich von der DMT GmbH & Co KG, die jahrzehntelange Erfahrungen bei der Bergbauerkundung und -sanierung hat. „Eine 100-prozentige Sicherheit kann keiner gewährleisten, ein Restrisiko bleibt immer. Wichtig ist deshalb abzuwägen, in welchem Verhältnis Kosten und Nutzen stehen.“ Denn ebenso vielschichtig wie die Risiken des Nachbergbaus sind die Möglichkeiten, wie man sie detektiert und was dabei beachtet werden muss – von der Recherche alter Risswerke bis zur Sondierungsbohrung mit 3D-Laserscanner.

Auch am Forschungszentrum Nachbergbau an der THGA sind Überwachungsstrategien ein zentrales Thema, etwa beim geplanten Grubenwasseranstieg, bei der Gasmigration oder bei der Erkundung bergbaulicher Auswirkungen: Die Wissenschaftler nutzen satellitengestützte Fernerkundungsdaten, um daraus innovative Monitoringverfahren im Alt- und Nachbergbau zu entwickeln. Auch ein Frühwarnsystem für Bergbaufolgen ist dadurch langfristig möglich: „Die Strukturen des Bergbaus bewirken z.B. Veränderungen im Wasserhaushalt, die wir teilweise mit Satelliten registrieren können. Das hilft, räumlich-zeitliche Abläufe nachzuvollziehen und Auswirkungen auf die Tagesoberfläche frühzeitig aufzuspüren“, sagte Prof. Dr. Goerke-Mallet, der in seinem Vortrag aktuelle Projekte vorstellte. Besonders wichtig sei dabei auch eine verantwortungsvolle Risikokommunikation, betonte Prof. Dr. Christian Melchers, wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums Nachbergbau. „Um eine breite Akzeptanz für spätere Maßnahmen zu schaffen, müssen nachbergbauliche Entwicklungen mit der größtmöglichen Transparenz vermittelt werden. Die THGA und die Bezirksregierung Arnsberg wollen deshalb schon frühzeitig Politik, Öffentlichkeit und Fachkreise über Fragestellungen informieren, die im Zuge des Risikomanagements zu bewältigen sein werden, und sie in laufende Prozesse miteinbeziehen.“

Die Tagung NACHBergbauzeit in NRW wird alle zwei Jahre gemeinsam von der Bezirksregierung Arnsberg und der Technischen Hochschule Georg Agricola veranstaltet. In den vergangenen Jahren standen die Aspekte Altbergbau (2011), Folgenutzung ehemaliger Bergbauflächen (2013) und das Grubenwasserkonzept (2015) im Fokus – die entsprechenden Artikel sind nun erstmalig auch in einen Tagungsband erschienen, den Hochschule und Bezirksregierung gemeinsam veröffentlicht haben. Die in Fachkreisen gut etablierte Veranstaltungsreihe soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden.